SV Carmina

Reiseberichte

Reisebericht 11.1 (Port-Saint-Louis > Lyon)

Montag, 25.05.2015

Gestern haben wir uns von Manfred und Klaus (MS Mari, mit Ziel Balearen), Alice und Alain (Goélette Dhar­ma, Richtung Sizilien) und unseren liebgewonnenen Freunden Dominique und Philippe (SY Earthling) verab­schiedet. Die beiden verbringen das Pfingswochenende bei den Frioul-Inseln vor Marseille. Später wollen sie dann Richtung Andalusien weiter segeln. Entsprechend feucht waren meine Augen, als ich mich verabschie­den musste. Immerhin haben wir die letzten fünf Monate viele schönen Momente zusammen verbracht.

Heute früh sind somit alle weg und das Ablegen gestaltet sich recht emotionslos. Um 8.45 Uhr öffnet die Hubbrücke der Ecluse Maritime und entlässt ein kleines Fischerboot Richtung Meer aus der Schleuse. Mit uns wartet eine finnische Motoryacht mit vier Mann Besatzung. Die Ampel zeigt grün-rot. Wir warten. Dann senkt sich die Brücke langsam wieder und schliesst... Thomas ruft den Schleusenwärter über Funk auf Kanal 19 an. Dieser beschwert sich, dass wir uns nicht für die Durchfahrt angemeldet hätten. Dabei hat er uns die ganze Zeit gesehen. Aber hallo, sagt Thomas, Sie haben feste Öffnungszeiten und wollen uns die Passage verwehren? Was sind Sie für ein Funktionär?! Das wirkt. Keine fünf Minuten später öffnet sich die grosse He­bebrücke (2-spurige Strasse plus Fahrrad- und Fussgängerweg) wieder und wir dürfen in die Schleuse ein­fahren.

Auf der Rhône haben es die Finnen dann sehr eilig. Schon bald entschwinden sie aus unserem Blickfeld. Ihr Ziel ist aber auch fast doppelt so weit entfernt wie unseres.

Unser Hafenplatz bleibt leer, durch die Schleuse verlassen wir das Mittelmeer und gelangen wieder in die Rhone, vorbei an bekannten Ruinen, hinein in die mächtigen Schleusen...

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Vor der Schleuse Beaucaire müssen wir uns 45 Minuten gedulden. Und wer wartet da auch schon? Genau, die Finnen. Beim Festmachen in der Schleuse drin veranstalten die vier Männer wieder ein Cabaret, dafür ge­ben sie nachher wieder Vollgas. Als wir um 18.30 Uhr in Avignon einlaufen, liegen die Nordlichter schon fest und haben wohl bereits ein oder zwei Biere Vorsprung.

 

Nach dem Abendessen machen wir mit Toby einen Spaziergang durch die Altstadt. Die engen Gassen sind menschenleer und wir haben eigentlich keinen Plan, wo wir sind. Endlich sehen wir einen Mann bei einem Hauseingang stehen. Darf ich Sie fragen, wie wir zum Palais des Papes kommen, Monsieur? fragt Thomas. Aber leider sind wir an den Falschen geraten. Monsieur ist „sehr müde“, wie er uns sagt. Er hält sich mit Mühe an der Hauswand fest (oder muss er die alten Gemäuer stützen?) und jeder Versuch los zulassen, scheitert. Trotzdem, wortgewandt verabschiedet er sich in drei Sprachen von uns und bedauert nochmals, dass er so „müde“ sei. Wir haben den Weg dann selber gefunden.

Die Sehenswürdigkeiten von Avignon hatten wir schon bei einem früheren Besuch bewundert. Was wir aber heute Abend, nach Abzug der Touristenströme, in der praktisch menschenleeren Altstadt gesehen haben war schlicht atemberaubend. Die monumentalen Bauten erscheinen in der Dunkelheit, nur partiell beleuchtet, in ihrer gigantischen Grösse und Mystik.

Dienstag, 26.05.2015

Der Mistral ist wie angekündigt mit voller Stärke eingefahren. Mit Böen von über 90 km/h empfiehlt sich die Weiterfahrt heute nicht. So wird ausgeschlafen und ordentlich gefrühstückt. Wäsche hat's auch schon wieder zum waschen, derweil der Skipper Smalltalk den Quai rauf und runter hält. Am Nachmittag beschliesse ich, Mann und Hund alleine zu lassen und shoppen zu gehen. Nachdem wir es vor knapp zwei Monaten doch noch geschafft haben, dem Nikotin zu entsagen, habe ich zur Zeit etwas Hüftgold angesetzt. Oder anders rum: die Kleider sitzen grad ein bisschen eng...

Mittwoch, 27.05.2015

Der Wind, der Wind... er hält uns weiterhin in Avignon fest. Es gibt aber schlimmeres. Also beschliesst nun auch Thomas, notwendige Einkäufe zu tätigen. Da ich schon weiss, wo welche Geschäfte zu finden sind, hält sich diese Shoppingtour zeitlich in Grenzen. Am Nachmittag bleibt so noch genügend Zeit, weitere Sehens­würdigkeiten zu besichtigen. Geich oberhalb des Halte Fluviale am Boulevard du Quai de la Ligne steigt die steile Treppe aufwärts zu den Parkanlagen auf dem Rocher des Doms. Von dort oben hat man einen wunder­baren Ausblick auf den Pont Saint-Bénézet (Pont d'Avignon), auf die Altstadt von Avignon und die Festung in Villeneuve-les-Avignon. Als wir weiter in Richtung des Palais des Papes gehen sehen wir, dass Vorbereitun­gen für einen Festakt getroffen werden. Sie erwarten aber nicht den Papst? fragt Thomas. Nein, gefeiert wird der Journée Nationale de la Résistance. Honoratioren von Stadt, Polizei, Veteranen und eine Garde der Ehrenlegion sind anwesend.

 
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Donnerstag, 28.05.2015

Heute ist es nicht nur sonnig sondern auch fast windstill. Endlich geht's auf die nächste Etappe, denn der Weg ist noch weit. Es ist schon Wehmut dabei, diese herrliche Gegend zu verlassen. Der Norden lockt zudem zur Zeit nicht gerade mit angenehmen Temperaturen, aber das kann sich noch ändern, bis wir in Holland ein­treffen.

Die Fahrt ist ja für uns nicht Unbekanntes und doch ist alles anders als letzten November/Dezember, als wir die Reise in den Süden machten. An den grün bewachsenen Ufern hat es jetzt grosse Büsche von gelbem Ginster, der nicht nur farblich schöne Akzente setzt, sondern einen betörend feinen Duft verströmt.

In der Schleuse Bollène treffen wir auf zwei Schweden, Tommy und Kerstin mit ihrer Segelyacht Hannah, die wir schon aus Port-Saint-Louis kennen. Er ist ein grosser Toby-Fan und freut sich riesig, unseren Vierbeiner wieder zu treffen.

Um 17 Uhr treffen wir in Viviers ein. Dachten wir im Dezember noch, der Hafen sei im Winterschlaf und des­halb seien die Schwimmstege hochgeklappt, so sehen wir jetzt, dass es im Sommer nicht anders aussieht. Der Hafen wurde offensichtlich aufgegeben. Also legen wir halt am Quai an, der eigentlich für Passagierschif­fe reserviert ist. Die „Princesse de Provence“ liegt auch schon da. Die (Un-)Tiefe ist kritisch, geht aber grad noch. Als ich mit Toby vom Rundgang durchs schöne Städtchen zurück komme, erreichen grad die Schweden den Anleger. Wir heissen sie bei uns breitseits anlegen, denn mit ihrem Tiefgang können sie nicht an den Quai ran. Etwas später legt noch das Motorboot Isola unter belgischer Flagge und französischer Skip­perin an.

Freitag, 29.05.2015

Die Nachtruhe wird durch lautes Rufen und Tuten unterbrochen. Thomas geht nach oben und fragt, was los sei. Es ist zwei Uhr nachts. Mein Mann kommt wieder runter, sagt: Madame säuft ab! Gemeint ist die Franzö­sin mit belgischem Boot. Er zieht sich an und weg ist er. Ich will auch schauen was los ist, kann aber in der Dunkelheit nichts genaues erkennen. Also abgesoffen ist sie dann nicht, im Gegenteil, sie ist trockengelegen. CNR, die Verwaltung der Rhône, hatte über Nacht das Wasserniveau um mehr als 40 cm abgesenkt, genug, dass ihr Boot auf einer Seite auf den Steinen aufgelegen ist und Schlagseite bekommen hat. Natürlich hat sie in der Dunkelheit erst nicht erkennen können, was passiert war. Mit all ihrer Kraft haben sie und ihr Begleiter versucht, das Boot an Tauen in der Balance zu halten. Thomas holte ein weiteres starkes Tau und fixierte das Boot so, dass es nicht kentern konnte. Dann wurde noch der Generator geborgen, dem bereits der Treibstoff aus dem Vergaser auslief und erhebliche Explosionsgefahr verursachte.

Jetzt war Madame fix und fertig und Thomas bot den Beiden an, in unserer Vorderkajüte zu übernachten. So habe ich nachts um drei Uhr Betten bezogen und nach einem letzten Espresso gings wieder ins Bett.

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Um 7 Uhr bin ich wie gewohnt aufgestanden. Der Schwede streckt auch schon den Kopf raus. Haben Sie nichts gehört heute Nacht? frage ich ihn. Doch, doch, das Horn und Ihren Mann habe ich gehört, antwortet er. Erstaunlich, denn die Beiden kamen ganz schön angeheitert vom Abendessen zurück!  Inzwischen hat die CNR den Wasserspiegel wieder angehoben und die belgische Yacht beginnt sich wieder aufzurichten und zu schwimmen.

Bald legt ein Passagierschiff der A-Rosa-Line an und entlässt seine Gäste auf einen Ausflug in die Ardèche-Schlucht. Da die Isola offensichtlich keinen Schaden erlitten hat und bald wieder flott sein sollte, beschliessen wir, zu­sammen mit der Hannah und ihrer Besatzung hinter der A-Rosa die nächste Schleuse zu passieren. Früh­stück gibt es später. Wie ich im Verlauf des Tages die Betten in der Vorderkajütte wieder abziehe, frage ich Thomas, wie denn die beiden Gäste eigentlich geheissen hätten. Er weiss es auch nicht. So haben sie sich also nicht nur beim „Zimmermädchen“ nicht vorgestellt...

Der Rest des Tages verläuft unspektakulär. Thomas und ich wechseln uns ab mit schlafen und fahren. In un­serem Alter geht so eine Freinacht eben nicht mehr ganz spurlos vorbei. Um 17 Uhr treffen wir in Valence ein. Ein schöner Hafen mit allen Annehmlichkeiten. Nicht selbstverständlich an der Rhône.

Samstag, 27.05.2015

Wir erwachen erst um 8 Uhr. Trotzdem müssen wir jetzt noch einkaufen gehen, denn unsere Vorräte sind aufgebraucht. Es ist ein gutes Stück zu Fuss, aber wir nehmen Toby mit, so sind gleich zwei Dinge auf ein­mal erledigt. Das Casino Géant hat erst wenige Minuten vorher seine Tore geöffnet, weshalb noch nicht allzu viele Kunden anwesend sind. Dementsprechend muss an der Kasse auch nicht angestanden werden. Zurück auf der Escape legt Thomas ab, während ich die Einkäufe verstaue und eine Kanne Tee koche. Nach der ers­ten Schleuse bereite ich das Frühstück zu und übernehme das Steuer. Um die Mittagszeit fahren wir an Tain L'Hermitage vorbei. Ein schönes Städtchen mit südländischem Flair, wäre auch mal einen Besuch wert.

Heute sind wir nicht mehr mit „unseren“ Schweden unterwegs. Die haben gestern Abend dänische Bekannte getroffen und haben vor unserer Weiterfahrt noch kein Lebenszeichen von sich gegeben. Die heutigen drei Schleusen fahren wir im Verband mit dem Cargo Tennessee und den Motoryachten Allora/GB und LaVie/F. Die Franzosen entpuppen sich dann im Hafen von Roches-de-Condrieu, wo wir alle drei Boote nebeneinander liegen, als Holländer. Auch dieser Hafen übrigens sehr empfehlenswert.

Sonntag, 31.05.2015

Thomas holt schon kurz vor 8 Uhr mit Toby frische Baguette und so wären wir eigentlich gegen 9 Uhr bereit zum Ablegen. Der Schleusenwärter von Vaugris teilt uns aber über Funk mit, dass in Kürze ein Cargo mit Gefah­rengut aufgeschleust wird und wir da nicht mitgenommen werden. Er bittet um Geduld und so wird es halt 10 Uhr bis wir losfahren. Es eilt auch nicht gross, wir wollen nur bis Lyon. Ich fahre die letzten Kilometer im Schleusenkanal und geniesse den Ausblick als ich plötzlich vor dem Bug einen Biber auftauchen sehe! Und weg ist er wieder. Die Ufer sind hier wirklich naturnah und es verwundert nicht, dass der Biber sich hier angesiedelt hat. Aufgeschleust werden wir in Vaugris zusammen mit einer zweiten Motoryacht und einem Schwanenpaar. Die Wasservögel schwimmen langsam und entspannt die ganze Schleusenkammer nach vor­ne. Als das Tor sich öffnet und sie raus schwimmen, werden sie von einem Schwan erwartet, der seine Fami­lie und sein Revier verteidigt.

Um 15 Uhr treffen wir in Lyon ein. Rund um und im Darse de Confluence ist ein grosses Fest im Gange, „Le Pardon des Mariniers“. Uns wird klar, dass wir unser Kommen wohl besser angemeldet hätten, es hat kaum mehr Platz. Aber schon sehen wir William Fortier inmitten der Menschenmenge. Er winkt uns zu und rennt Richtung C-Steiger, wo auch seine Yacht liegt. Er hat uns einen Platz reserviert, obwohl er schon nicht mehr glaubte, dass wir noch kommen würden. Nach dem Anlegen stossen Thomas und William erst mal mit einem kühlen Bier an. Das Thermometer zeigt 31° C. Kurz darauf kommt auch Gérald Maillard an Bord, der uns zu­sammen mit William vor Monaten die Escape repariert hat. Er hat seine Mama dabei, schliesslich feiert Frankreich heute Muttertag, und seine beiden kleinen Jungs. Nach diesem Begrüssungsapéro geht es weiter im Programm, Hitze hin oder her (es hat jetzt schon 32,6° C).

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Wir dürfen/müssen am Cortège der Boote teilnehmen und erhalten die Startummer 8. Das am schönsten dekorierte Boot wird prämiert. Wir sind natürlich ganz unvorbereitet erschienen und die paar Fähnchen machen nicht viel her. Aber das spielt keine Rolle, mitma­chen ist wichtiger. Alle Teilnehmer bekommen am Schluss eine kleine Anerkennung. In unserer Tasche finden wir eine Cap mit dem Aufdruck des Port de Lyon und einen grünen weichen Ball. Schau, Toby, der ist für dich! sage ich zu Hundchen. Da werde ich aufgeklärt, dass das Teil als Ablage und Halterung für Mobiltelefo­ne dienen soll. Huch, da haben wir uns aber wieder geoutet! Thomas und ich sind absolute Mobile-Muffel. Unsere klassischen Geräte (keine Smartphones!) dienen zum Telefonieren und für SMS, liegen an ihrem vorgesehe­nen Platz und werden täglich ein (1) mal konsultiert, meistens.

William schenkt uns dann noch seinen Gewinn: das Buch „La Sâone au cœur de Lyon“. Die Geschichte Lyons im Einfluss der Sâone während 2000 Jahre. Ein sehr schön illustriertes und bebildertes Buch über eine Stadt, die wir liebgewonnen haben.

Gérald Maillard hat während des Festes seine Arbeitspéniche, sonst am Quai Rambaud stationiert, bei der Hafenausfahrt festgemacht. Thomas lässt sich zu einer Besichtigung einladen und so begeben wir uns alle dahin. Frauen und Kinden bleiben auf Deck und geniessen ein kühles Getränk, während die Männer im Bauch der Péniche verschwinden. Ist schliesslich Männersache so Motoren, Werkzeuge, Schmierfett...

Wir brechen dann mal auf und kehren auf die Escape zurück. Die Stimmung im Hafen ist immer noch sehr angeregt. Die Temperaturen hochsommerlich und an den Bierständen wird eifrig Durst gelöscht.

Aber jedes Fest geht mal zu Ende und den Schlusspunkt setzt dann Gérald, der mit Vollschub seine 100 Tonnen schwere Péniche stromabwärts peitscht. Eine riesige Rauchwolke über dem Fluss bildet einen weit sichtbaren Abschluss eines ereignisreichen Tages.

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